Von der «Lastwagenbeiz» zum Gourmetlokal, BaZ vom 23. Sept. 2013
Gianluca Garigliano strahlt. «Mit dem eigenen Restaurant geht ein Traum in Erfüllung.» Der Spitzenkoch sitzt im rustikalen Teil des frisch eröffneten Landgasthofs Talhaus. Im lichtdurchfluteten Wintergarten nebenan geniessen die letzten Mittagsgäste ihren Kaffe, die siebenjährige Tochter des Spitzenkochs wirbelt spielend durch das Restaurant.
«Ich habe nicht erwartet, dass es so gut läuft», sagt Garigliano. Über vierzig Gäste habe er an diesem Nachmittag bewirten können, eben so viele am Vorabend – darunter viele Spontanbesucher. Zum Eröffnungsapéro vor einer Woche kamen 150 geladene Gäste, «darunter auch der Bürgermeister», freut sich der 36-Jährige. «Es heisst Gemeindepräsident», korrigiert Gariglianos Frau Illijana im Vorbeigehen. Die beiden scheinen sich gut zu ergänzen. Er kümmert sich um die Küche, sie schmeisst den Service. Während acht Jahren wirbelten sie gemeinsam durch Top-Restaurants in ganz Europa. Im Talhaus tritt das Paar nun erstmals als Pächter auf.
«Das ist anstrengend, aber schön», findet Garigliano. Der Traum vom eigenen Restaurant war denn auch mit der Grund, dass er Ende 2012 der Osteria Tre im nur einen Kilometer entfernten Bad Bubendorf den Rücken gekehrt hat. Dort hat es der quirlige Koch in sechs Jahren zu einem Michelin-Stern und 15 Gault-Millau-Punkten gebracht. Jetzt beginnt der 36-Jährige noch einmal bei Null – dafür aber als Pächter.
Dass sein neues Restaurant quasi in unmittelbarer Nachbarschaft zu seiner alten Wirkungsstätte liegt, birgt natürlich viel Gesprächsstoff. Das weiss auch Garigliano: «Wir haben uns viele Gedanken gemacht wegen der Osteria Tre und mit vielen Leuten darüber geredet.» Die Frage, ob Bubendorf einen weiteren Italiener braucht, sei durchaus berechtigt. Mit der «Stube Ida», in der man der ländliche Küche Italiens huldigt, biete man den Gästen aber ein neues Angebot. «Ein reines Gourmetlokal hätte es nicht gebraucht.» Feinschmecker kommen bei Garigliano natürlich trotzdem nicht zu kurz: Die rustikale Gaststube wird nämlich ergänzt durch das «Puro» im angrenzenden Wintergarten. Dort wird abends italienischer Spitzenküche geboten.
Dass Garigliano bei seiner Restaurant-Suche ausgerechnet in Bubendorf fündig wurde, hat viel mit der ehemaligen Landrätin Esther Maag zu tun. Diese hat den Landgasthof im November 2012 mit Andreas Spuler und Heinrich Holinger in einer ziemlich spontanen Aktion ersteigert. Die drei Investoren haben sich erst bei der Gant zusammengeschlossen. «Es lief wirklich so unkompliziert und gut ab, wie es sich anhört», erinnert sich Maag. Fast schwieriger gestaltete sich danach die Suche nach einem geeigneten Pächter für das Restaurant ins Spiel. Hier, man erahnt es, kommt das Ehepaar Garigliano ins Spiel. Nachdem man bereits Lokale in der ganzen Schweiz besichtigt hatte, meldete sich Illijana im Februar 2013 ein Inserat der neuen Talhaus-Besitzer.
Zunächst sah es schlecht aus für eine gemeinsame Gastro-Zukunft. «Sie kamen und haben abgesagt», erinnert sich Maag an das erste Treffen. «Danach machte ich etwas, das ich sonst nie mache: Ich rief sie nochmals an.» Wieder bekam Maag einen Korb. Dass man sich diesen Juli doch noch gefunden hat, liegt auch daran, dass die neuen Talhaus-Besitzer bereit waren, mehr als vorgesehen in die Restaurant-Infrastruktur zu investieren. Und dass das Pächterpaar bei der Umsetzung seiner Visionen freie Hand hatte, wie Maag mehrmals betont. «Wir fanden das Talhaus immer schön, hätten aber nie gedacht, hier einmal unsere Pläne zu realisieren», sagt Garigliano.
Seit einer Woche wird im Landgasthof Talhaus nun wieder gekocht. Die frischgebackene Gastro-Unternehmerin Maag ist begeistert: «Ich habe völlig neue Geschmäcker und Gerüche entdeckt – und ich esse oft und gerne gut.» Geeister Rucola oder eine Art Pannacotta-Crème-Brulé zum Beispiel. Oder Kichererbsen-Schaum. «Zudem haben Gianluca und seine Frau das Lokal absolut geschmackvoll eingerichtet – schlicht und nicht überladen», findet Maag und bereut, dass es kein Vorher-Nachher-Foto gibt. Vor der Auffrischung habe das Lokal einen muffigen 70er-Jahre-Flair ausgestrahlt – mit Plastikblumen, orangen Plättli und dunkler Decke
Mit ihrem Engagement haben die neuen Betreiber die ehemalige «Lastwagenbeiz» nun also aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Und Gianluca Garigliano wäre kein Spitzenkoch, wenn er nicht auch im Talhaus wieder nach Gault-Millau-Punkten und Michelin-Sternen greifen würde. So oder so sind die Feinschmecker der 4400-Seelen-Gemeinde sicher nicht unterversorgt: Bubendorf hat zwei Bahnstationen – und bei jeder steht ein Gourmet-Restaurant.
Aus BaZ online, von Joel Gernet vom 23. September 2013
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